- Illyrer: Seeräuber und tüchtige Krieger
- Illyrer: Seeräuber und tüchtige KriegerAls Illyrer oder Illyrier bezeichneten die antiken Autoren jene Stämme, die das Land nordwestlich von Makedonien bewohnten. Die ethnischen Grenzen zwischen diesen Stämmen und anderen Völkern waren oft fließend, denn die Illyrer vermischten sich im Süden mit den Stämmen der Landschaft Epirus, im Norden — im Savetal und an der Donau — mit keltischen Stämmen; im Osten bildeten die Thraker eine starke ethnische Komponente. Als Südgrenze des von illyrischen Stämmen bewohnten Gebiets galten die Keraunischen Berge des Epirus, das heutige Gebirge Reza e Kanalit in Albanien, als Nordgrenze wurde die Donau angesehen. In West —Ost-Richtung erstreckte sich das illyrische Territorium vom Adriatischen Meer bis zum Moravafluss in Serbien. Als illyrisch galten auch einige Stämme an der Ostküste Italiens, vor allem in Apulien, so die Japyger, Messapier, Salentiner und Peuketier. Nach einem von dem griechischen Grammatiker Apollodor im 2. Jahrhundert v. Chr. beschriebenen Mythos wurden die Illyrer nach ihrem Stammvater Illyrios, dem Sohn des Kadmos und der Harmonia, benannt. Kadmos galt als phönikischer Königssohn; auf der Suche nach seiner Schwester Europa, die von Zeus in Stiergestalt geraubt worden war, soll er zuerst nach Böotien gelangt sein, wo er die Festung Kadmeia, Kern der späteren Stadt Theben, gründete; Jahre danach, von den am heutigen Ohridsee siedelnden Encheleern gegen die Nachbarstämme zu Hilfe gerufen, besiegte er die Illyrer und wurde ihr König. Seinen später geborenen Sohn nannte er Illyrios. Am Ende ihres Lebens wurden Kadmos und Harmonia in Schlangen verwandelt und als solche ins Elysium aufgenommen. Nach einer anderen Version dieses Mythos waren sie schon als Schlangen nach Illyrien gekommen.Der tatsächliche Ursprung der Illyrer beschäftigt seit langem Archäologen, Sprachwissenschaftler und Historiker. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wie die illyrischen Stämme sich in einem langen, kontinuierlichen Prozess aus der alteingesessenen, »autochthonen«, Bevölkerung des westlichen Balkans entwickelt haben und wie weit im frühen 2. Jahrtausend v. Chr. zugewanderte indogermanische Gruppen die alte, vorindogermanische Bevölkerung überlagert, verdrängt oder sich mit ihr vermischt haben.Die illyrischen Stämme: Vielzahl und VielfaltDas illyrische Gebiet wurde von vielen Stämmen besiedelt. Im Süden, am Rande der antiken Welt, wohnten die Taulantier. Ihr Königreich lag im heutigen Albanien, im Hinterland der griechischen Kolonien Epidamnos (später Dyrrhachion, heute Durrës) und Apollonia (heute Pojani bei Fier). Erstere war 627, letztere 588 v. Chr. von Kolonisten aus Korinth und Korkyra (Kerkyra, heute Korfu) gegründet worden. Die Encheleer siedelten am Ohridsee, die Ardiäer (Ardiaier) am Naronafluss, der heutigen Neretva, nordöstlich von ihnen wohnten ihre Nachbarn, die Autariaten, mit denen sie ständig Kriege um die Salzquellen führten. Des Weiteren saßen die Dassareten nahe der Stadt Lychnidos (heute Ohrid) am Ohridsee, die Labeaten am Skutarisee, die Pirusten in den Bergen nördlich von Lissos (heute Lezhë); nördlich des Ardiäergebiets erstreckte sich das Territorium der kämpferischen Delmaten (Dalmaten), nach denen Dalmatien benannt wurde. Die größten Stämme der nordillyrischen Gruppe waren die Histrier im heutigen Istrien, die Japoden in deren Hinterland und die Liburner zwischen den Delmaten und dem Adriazufluss Titius, der heutigen Krka (mündet bei Šibenik); zwischen Donau und Save wohnten die pannonischen Illyrer, die sich seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. stark mit den keltischen Boiern, Tauriskern und Skordiskern vermischten. Bekannt durch ihren Widerstand gegen die römische Herrschaft sind vor allem die Breuker geworden; die Colapianen hatten ihre Wohnsitze an der Kupa (in der Antike Colapis) bei Siscia, dem heutigen kroatischen Sisak, die Amantiner in Sirmien (heute Srem), der Landschaft zwischen Save und Donau. Zahlreich sind auch die illyrischen Stämme, die das zentralbalkanische Gebiet, das heutige Bosnien und Serbien, besiedelten. Ihre Wohnsitze genau zu lokalisieren ist nicht immer möglich. Zu den tapfersten gehörten die Däsitiaten, die zu Beginn der christlichen Ära in der Umgebung von Sarajevo in einer lateinischen Inschrift bezeugt sind. Als nordöstliche Nachbarn der griechischen Makedonen sind in Serbien und Makedonien die Dardaner und, südlich von diesen, die Päonen bezeugt.Am besten kennen wir die südillyrischen Stämme, die ständig mit den makedonischen Herrschern und später den Römern Kriege führten. Die Stämme kämpften auch gegeneinander, wodurch einige von ihnen aus ihren alten Wohnsitzen vertrieben wurden. Dafür werden aber auch andere Gründe genannt. Merkwürdig mutet uns an, was über die Aussiedlung der Autariaten aus ihrem Land berichtet wird: Vom Himmel seien statt gewöhnlichem Regen Frösche und Mäuse gefallen, die alle Quellen verstopften und die Häuser füllten. Dadurch kam es zu einer Epidemie, und alle Stammesangehörigen mussten das Land verlassen. Zuflucht fanden sie erst bei den Agrianern unweit der Donau. Dort wurden sie so stark, dass Alexander der Große bei seinem Feldzug gegen die thrakischen Triballer Furcht vor dem Angriff der Autariaten hatte.An der Spitze KönigeZwischen den Stämmen gab es Unterschiede in den staatlich-politischen und wirtschaftlichen Formen, in den Sitten und wahrscheinlich auch in der Sprache und im Glauben. Im Vergleich zu den Nordstämmen besaßen die südillyrischen Stämme ein höher entwickeltes politisches System, die Monarchie. An der Spitze des Stammes oder Stammesbündnisses stand der König, der im Kriegsfall auch das Heer führte. Das von ihm regierte Volk lebte größtenteils auf dem Lande und musste Tribut zahlen. Neben den Königen stand die Aristokratie, deren Mitglieder bei den antiken Schriftstellern als »principes«, »nobiles« oder »dynastai« bezeichnet wurden. Im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. herrschten bei den Dardanern, Päonen, Taulantiern und Encheleern Könige; vom 4. Jahrhundert bis in die Sechzigerjahre des 2. Jahrhunderts v. Chr. ist im Süden, im heutigen Albanien, ein illyrisches Reich bezeugt, dessen Hauptorte Skodra (heute Shkodër) und Rhizon (heute Risan in der Boka Kotorska, dem Gebiet um die Bucht von Kotor) waren. Unter Königen lebten auch die Liburner, bei denen für den Fall, dass männliche Nachkommen ausblieben, auch die weibliche Thronfolge vorgesehen war. Die Pannonier an der Save kannten keine feste politische Organisation, sondern lebten zerstreut und nach Sippen aufgeteilt auf den Feldern. Nur im Kriegsfall taten sie sich zusammen und kämpften gemeinsam unter einem Anführer. Im Krieg war ein solcher Stammesverband oder auch ein Staat wie der in Südillyrien schon einmal in der Lage, ein Heer von 10 000 Mann Fußvolk und eine 500 Mann starke Reiterei auf die Beine zu stellen. Dazu kamen Kriegsschiffe, Liburnen und Lemben, die bis zu 50 Mann mit ihren Waffen aufnehmen konnten.Zu den Untertanen der illyrischen Könige zählten auch Halbfreie: Bei den Ardiäern arbeiteten 300 000 »prospelatai« (abhängige Bauern) auf den Feldern, bei den Dardanern wurden mehrere Tausend Kriegsgefangene in Friedenszeiten als Arbeitskräfte auf den Feldern und im Krieg als Soldaten eingesetzt. Die Delmaten verlangten von den Unterjochten Steuern in Form von Vieh und Getreide. Der Adel war privilegiert und reich, was die Grabbeigaben deutlich zeigen, wie sie z. B. in den »Fürstengräbern« der Glasinac-Hochebene bei Sarajevo und in Stična im heutigen Slowenien gefunden wurden.In den von den Illyrern bewohnten Gebieten gab es zwei Siedlungstypen: befestigte Höhensiedlungen (oppida) und Pfahlbausiedlungen. Die befestigten Siedlungen wurden auf schwer zugänglichen Bergen aus großen Steinquadern erbaut, die Pfahlbauten lagen in den Flusstälern; auf den hölzernen Terrassen standen Holzhäuser. Die Dardaner sollen nach der Überlieferung in mit Dünger zugedeckten Erdhöhlen gelebt haben, wie es z. B. Tacitus auch von den Germanen berichtet hat. Gleichzeitig errichteten die Dardaner aber auch befestigte Siedlungen.Sprache und Religion der IllyrerDa die Illyrer keine eigene Schrift entwickelt haben, ist ihre — indogermanische — Sprache weitgehend unbekannt geblieben. Durch römische Inschriften kennen wir lediglich einige Eigennamen und geographische Namen. Wahrscheinlich wurden viele Dialekte gesprochen.Die Religion der Illyrer zeigt einige Züge uralter Überlieferung. Der Stammvater Illyrios erscheint in Verbindung mit einer Schlange als Totemtier. Weitere Totemtiere sind in einigen Stammesnamen zu erkennen: Die Encheleer wurden nach dem Aal, die Taulantier nach der Schwalbe, die Delmaten wahrscheinlich nach dem Schaf benannt. Nähere Einzelheiten der illyrischen Religion kennen wir nicht. Bekannt sind lediglich einige Namen einheimischer Gottheiten, so Eia, Melesocus, Boria und Iria in Istrien, Bindus bei den Japoden, Ausdotica und Ica bei den Liburnern, Vidasus in Pannonien und Medaurus als Schutzgott in Rhizon, aber sie sind erst in römischer Zeit, in lateinischen Inschriften, bezeugt.Die Sitten der illyrischen StämmeDie antiken Autoren berichten gern über angebliche Eigenheiten, Sitten und Gebräuche der Illyrer, die ihnen ungewöhnlich und merkwürdig vorkamen. Dazu gehört auch die Geschichte vom »bösen Blick«. Nach einer Angabe bei Plinius dem Älteren gab es bei den Illyrern Leute, die Menschen töten konnten, indem sie sie längere Zeit anstarrten. Angeblich hatten sie auch zwei Pupillen in einem Auge. Der Geograph Strabo erwähnt im 1. Jahrhundert n. Chr., dass sich die Japoden, gleich anderen »barbarischen« Stämmen, tätowieren ließen. Archäologisch ist diese Nachricht durch den Fund einer dafür benutzten Nadel mit einem Stiel bestätigt. Eigentümlichkeiten und Merkwürdigkeiten einzelner Stämme sind auch im gesellschaftlichen Bereich überliefert. So sollen die Liburner der Frauengemeinschaft gehuldigt haben. Die Frauen durften den Vater ihrer Kinder selbst wählen und nahmen unmittelbar nach der Geburt ihre gewohnte Beschäftigung wieder auf. Die Kinder wurden bis zum fünften Lebensjahr gemeinsam aufgezogen; danach teilte man sie den Eltern nach der Ähnlichkeit mit den Männern zu. Als ungewöhnlich wird vermerkt, dass sich die liburnischen Frauen auch fremden und unfreien Männern hingaben — eine Sitte, die aber auch sonst in der Antike nicht unbekannt war. Für die Delmaten ist überliefert, dass sie das Ackerland nicht als Privateigentum ansahen, sondern alle acht Jahre neu unter den ansässigen Leuten aufteilten. Die Ardiäer galten in der Antike als unmäßig im Trinken. Dabei gestatteten sie auch ihren Frauen, an den Festen und Gelagen teilzunehmen. Bei einem Angriff nutzten die Kelten die Neigung der Ardiäer zum Trinken aus und ließen im Lager mit Gift vermischte Speisen und Getränke zurück. Dadurch gewannen sie schließlich den Krieg. Die Dardaner galten als musikalisch begabt. Sie kannten die Flöte und Saiteninstrumente. Über sie wird außerdem berichtet, dass sie nur dreimal im Leben badeten: nach der Geburt, bei der Hochzeit und als Tote. Wahrscheinlich handelte es sich um rituelle Reinigungen.Käse und Honigwein, Gold und EisenÜber die Wirtschaftstätigkeit der Illyrer ist nicht sehr viel bekannt. Sie bebauten das Land und züchteten Vieh. Bei den Ausgrabungen wurden Körner gefunden und als Überreste von Getreide wie Weizen, Gerste und Hirse, aber auch von Saubohnen und Weintrauben identifiziert. Bei Ausgrabungen gefundene Knochen stammen von Schweinen, Rindern, Pferden, Hunden, Schafen und Ziegen, wie Untersuchungen ergaben. Berühmt war der von den Delmaten und Dardanern hergestellte Käse (caseum Dalmatenum, caseum Dardanicum). Als weitere Erzeugnisse sind bei den Taulantiern Honigwein und bei den Pannoniern Sabaia, eine Art Bier, bezeugt.Große Bedeutung hatte bei den Illyrern die Metallgewinnung und -verarbeitung. Aus Bronze wurden Schmuck (Fibeln, Armringe, Gürtel), Agrargeräte und Rüstungen hergestellt. Im Gebiet der Delmaten und auch in Dardanien lagen Goldgruben, im heutigen Bosnien wurde Eisenerz gewonnen. Die Lagerstätten waren auch noch in römischer Zeit bekannt. Die Münzprägung setzte bei den Illyrern, unter dem Einfluss der griechischen Kolonialstädte, zuerst an der Küste ein. Zu den ältesten illyrischen Münzstätten für Silberprägung gehörte seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. Damastion, das, wohl im Osten Illyriens gelegen, bisher nicht lokalisiert werden konnte.Salz wurde nicht nur aus dem Meer, sondern auch aus Salzquellen im Hinterland gewonnen; die ständigen Kämpfe zwischen Autariaten und Ardiäern um den Besitz der Salzquellen im oberen Tal der Neretva wurden schon erwähnt. Die Dardaner, die weit vom Meer und anderen Quellen entfernt wohnten, mussten Salz aus dem Süden importieren.Prof. Dr. Miroslava Mirković, BelgradDie Kriege der IllyrerDen ersten historisch greifbaren Zusammenstoß zwischen der griechischen Welt und den südillyrischen Taulantiern schildert uns Thukydides als Vorgeschichte des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta (431—404 v. Chr.). Es ging dabei um die Griechenkolonie Epidamnos/Dyrrhachion, deren entmachteter und vertriebener Adel bei den Illyrern militärische Unterstützung fand (um 436 v. Chr.). Die Stadt verlor dabei weitgehend ihre Unabhängigkeit an den Taulantierkönig, ebenso wohl auch Apollonia.Im weiteren Verlauf des Peloponnesischen Krieges gehörten die Makedonen zu den Verbündeten Spartas, das deshalb in einer illyrisch-makedonischen Auseinandersetzung um die Herrschaft am Ohridsee — es ging um das Gebiet der Lynkesten, der illyrischen Bewohner des obermakedonischen Gaus Lynkestis, die sich von Makedonien losgesagt hatten — dem makedonischen König Perdikkas II. militärische Hilfe leisten musste. Der bedeutende spartanische Heerführer Brasidas stand 423 plötzlich mit einer kleinen, disziplinierten Truppe allein einem großen illyrischen Aufgebot gegenüber, weil die Makedonen aus Angst in der Nacht verschwunden waren. Angeblich waren die illyrischen Verbündeten des Perdikkas über Nacht zu den Lynkesten übergelaufen, wie Thukydides behauptet. In dessen Bericht hält Brasidas nun eine Rede an die Spartaner, in der er ihnen Mut macht und die Vorteile ihrer militärischen Ausbildung gegenüber der unkoordinierten »barbarischen« Kampfweise der Illyrer herausstellt. Tatsächlich konnte Brasidas seine Spartaner ohne größere Verluste aus der Falle lösen, die Makedonen aber nicht mehr weiter schützen.Syrrhas und BardylisEs muss eine ganze Reihe von illyrisch-makedonischen Kriegen um die Grenzgebiete gegeben haben. Nach einem weiteren solchen Krieg musste Amyntas III. von Makedonien 390 v. Chr. in einem Friedensvertrag die Oberherrschaft des illyrischen Königs Syrrhas anerkennen. Zur Bekräftigung des Vertrages heiratete er wenig später Syrrhas' Tochter Eurydike. Sie und ihr Vater sind die ersten namentlich bekannten Illyrer. Syrrhas wurde bald darauf von Bardylis gestürzt. Dieser war ein Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen. Er soll in seiner Jugend Köhler und Räuber gewesen sein. Dann machte er als tüchtiger Soldat im Heer Karriere und verdrängte schließlich den König aus aristokratischem Geschlecht. Bardylis konnte sich 385 auch den König von Epirus tributpflichtig machen. In den folgenden Jahren duldete er allerdings, dass die Makedonen allmählich ihre Unabhängigkeit zurückgewannen. Der Grund dafür ist vielleicht, dass Bardylis die ganze Zeit über an der Donau einen von den Griechen nicht registrierten Abwehrkrieg gegen die Kelten führte, die die Donau entlang nach Südwesten vorstießen.359 v. Chr. wollte der Makedonenkönig Perdikkas III., ein Sohn der Eurydike, die makedonische Unabhängigkeit vollends wiederherstellen und verlor Schlacht und Leben im Kampf gegen Bardylis. Sein jüngerer Bruder Philipp II. musste den Vertrag erneuern und eine Enkelin des Bardylis heiraten. Aber schon im folgenden Jahr kehrte sich das Verhältnis um. Philipp wandte sich zunächst gegen die Päonen und rückte dann mit 10 000 Mann Fußvolk und 600 Reitern weiter auf illyrisches Gebiet vor, wo ihn ein etwa gleich großes illyrisches Heer erwartete. In einer verlustreichen Schlacht triumphierte er über den Illyrerkönig Bardylis. Die Illyrer mussten die von ihnen besetzten makedonischen Gebiete räumen, die Stämme am Ohridsee die Herrschaft der Makedonen anerkennen.Leider wissen wir von den inneren Verhältnissen des südillyrischen Königreichs, das unter Bardylis machtpolitisch so klare Konturen hat, viel weniger. Die Ausgrabungen zeigen aber, dass es neben den griechischen Kolonialstädten auch eine Reihe illyrischer Städte gab, die ummauert und befestigt waren und durch Handwerk und Handel zum Reichtum des Landes beitrugen. Zu nennen sind, neben dem noch nicht lokalisierten Damastion, Byllis und Amantia im Süden sowie Lissos im Norden des heutigen Albanien. Eine Vorstellung von der Macht und Bedeutung der südillyrischen Könige geben die Königsgräber von Selca e Poshtëme westlich des Ohridsees.Das goldene Zeitalter unter GlaukiasAls Alexander der Große durch einen Krieg gegen die thrakischen Triballer an der unteren Donau abgelenkt schien, versuchten der Taulantierkönig Glaukias und der Encheleerkönig Kleitos, ein Sohn des Bardylis, sich von der makedonischen Herrschaft zu befreien. Alexander besiegte sie jedoch 335 v. Chr. und gliederte ihr Gebiet in den makedonischen Staat ein.Glaukias nutzte aber die Erbauseinandersetzungen nach Alexanders Tod, um für sein Reich die alte Unabhängigkeit zurückzugewinnen. 309 konnte er sogar im Epirus die vertriebene Königsfamilie wieder an die Macht bringen und so den illyrischen Einfluss erweitern. Die Regierungszeit des Glaukias und seiner Nachfolger muss ein »goldenes Zeitalter« gewesen sein. Die Städte wurden erweitert und auch besser befestigt. Die Stadt Byllis, die in ihrer alten Lage nicht erweiterungsfähig war, erhielt auf dem Nachbarhügel eine »Zwillingsstadt«. Die alte Stadt umschloss 18 Hektar mit einer Mauer von 1 850 m, die neue 20 Hektar mit einer 2 500 m langen Mauer. Aus der Zeit des Glaukias stammen auch die ältesten erhaltenen Münzen. König Monunios, der um 280 v. Chr. als Verbündeter des makedonischen Königs Pyrrhos I. gegen die Kelten genannt wird, ließ Münzen mit seinem Namen schlagen. Auch ein Helm mit Inschrift wird mit ihm in Verbindung gebracht, der aber auch einem über 100 Jahre späteren Dardanerkönig zugeordnet werden kann. Um 280 v. Chr. erreichte im Nordosten Illyriens der Staat des Dardanerbundes, unter eigenem König, ebenfalls eine gewisse Blüte.Die Schildwache für Rom zahlt sich nicht ausErst nach 240 v. Chr. finden wir wieder Nachrichten über den südillyrischen Staat, an dessen Spitze nun König Agron stand. Seine Hauptstadt war Skodra, nördlich des bisherigen Zentrums. 230 starb König Agron angeblich an der Trunksucht, und seine erste Frau Teuta übernahm für Pinnes, den unmündigen Sohn einer jüngeren Frau, die Regierung. Teuta sah ihr Reich als Seemacht an der Adria. Sie weitete ihren Einfluss nach Süden bis über den Epirus hinaus und nach Norden bis zu den Inseln Issa (Vis) und Pharos (Hvar) aus. Beim Aufbau ihrer Machtstellung waren ihr die wieder unabhängigen Griechenstädte Dyrrhachion und Apollonia im Weg. Sie verfügte aber über eine gut ausgebildete Armee unter ihrem Schwager Skerdilaides und über eine sehr aktive Flotte aus kleinen schnellen Ruderschiffen, den illyrischen Lemben, und sie setzte ihre Machtmittel auch ein.Die Bemühungen Teutas stießen jedoch auf einen neuen Gegner. Rom hatte sich Italien unterworfen und begann jetzt, sich für die Mittelmeerwelt zu interessieren. Der nächste Weg nach Griechenland führte aber von Italien aus über das Mittelmeer, und es war nicht im Sinne Roms, dass sich auf der anderen Seite der Adria eine neue Seemacht festsetzte. Die illyrische Flottentätigkeit wurde als Seeräuberei dargestellt, die sich gegen römische Verbündete richtete. Einer römischen Gesandtschaft antwortete Teuta ausweichend, sie sei für die Aktivitäten der privaten Schiffe nicht verantwortlich. Auf der Rückfahrt wurde der Gesandte getötet, und das reichte als Kriegsgrund aus. Rom brachte in den 1. Illyrischen Krieg 229 v. Chr. seine ganze Überlegenheit ein. Eine riesige Flotte setzte das römische Heer mit beiden Konsuln über. Angesichts dieser Übermacht blieb Teuta gar nichts anderes übrig als nachzugeben. Sie musste auf alle Eroberungen verzichten, ebenso auf die Flotte. Die Griechenstädte Apollonia und Dyrrhachion wurden römische Verbündete und spielten fortan bei der Eroberung Griechenlands eine strategische Rolle als Hafen und Basis. Ein Verwandter Teutas, Demetrios von Pharos, wurde neuer Vormund des unmündigen Königs und praktisch der Wachhund Roms. Den 2. Illyrischen Krieg, dieses Mal gegen Demetrios von Pharos, der nicht zuverlässig genug war, führte Rom 219, als der 2. Punische Krieg in Spanien schon angefangen hatte. Offenbar sollte hier noch eine Frontbegradigung erfolgen.Mit den Siegen Hannibals in Italien seit 218 v. Chr. schien sich noch einmal die Möglichkeit aufzutun, die römische »Weltherrschaft« aufzuhalten. Hannibal verband sich mit König Philipp V. von Makedonien, aber zwischen ihnen standen die Illyrer. Der neue König Skerdilaides hatte als Feldherr Teutas zweimal die Entfaltung der römischen Macht gesehen. Ein Bündnis mit Makedonien war für ihn aber schwer denkbar, und die römischen Diplomaten versprachen ihm sicher auch eine entsprechende Beute. Dafür verhinderten die Illyrer während der schweren Jahre, in denen Hannibal in Italien kämpfte, das Eingreifen der Makedonen in den Krieg. Die Schildwache für Rom zahlte sich aber für die Illyrer nicht aus. Die Römer schlossen 205 v. Chr. mit Makedonien einen Verständigungsfrieden, und Illyrien unter seinem neuen König Pleuratos ging leer aus. Sein Sohn Genthios, der letzte Illyrerkönig, sah schließlich nur noch den Weg einer antirömischen Koalition mit Makedonien. 168 v. Chr. wurde er vor Skodra (lateinisch Scodra) geschlagen, bei Pydna dann auch Perseus von Makedonien. Damit endet die Geschichte des illyrischen Königreiches. Der südliche Bereich, das Hinterland der Küstenstädte, wurde ganz ausgegliedert. Der Nordteil um Skodra wurde römisches Besatzungsgebiet. Die illyrischen Stämme im Norden des eigentlichen Königreiches blieben weitgehend unabhängig, auch wenn die Küste in den kommenden Jahrzehnten Stück für Stück erobert und romanisiert wurde.Die Illyrer im Römischen ReichAls Caesar 59 v. Chr. zum Statthalter der Provinz Gallia Cisalpina ernannt wurde, wurde ihm auch Illyrien unterstellt. Bei seiner Ermordung 44 v. Chr. war sein Erbe Octavian, der spätere Kaiser Augustus, zum Studium in Apollonia, in Begleitung seines Freundes Agrippa, der aus einer romanisierten illyrischen Adelsfamilie stammte und später zum Feldherrn und Städtegründer des Kaisers aufstieg. Mit Agrippa führte Octavian von 35 bis 32 v. Chr. einen schweren, blutigen und grausamen Krieg zur Unterwerfung der Illyrer, der gleichzeitig der Übung seines Heeres vor dem Bürgerkrieg diente. Als im Jahr 6 n. Chr. von Illyrien aus ein Feldzug gegen die Markomannen vorbereitet wurde und dafür höhere Abgaben zu leisten waren, kam es zu einer großen Erhebung in diesem Gebiet. Der Aufstand wurde von Tiberius in einem dreijährigen Krieg, nach Sueton »dem schwersten aller auswärtigen Kriege nach dem Punischen«, niedergeworfen. Damit war Illyrien endgültig ins Römische Reich eingegliedert, nun in zwei Provinzen geteilt: Dalmatien, das sich von den bosnischen Gebirgen südlich der Save bis Epirus und Makedonien erstreckte, und Pannonien nördlich davon, bis zur Donau. Aus den Stämmen wurden drei große juridische Distrikte mit Zentren in Salona, Scardona und Narona gebildet.In Illyrien wurden sehr früh Soldaten für das römische Heer ausgehoben. Viele Illyrer sind auch unter den hohen Offizieren zu finden. Im 3. Jahrhundert n. Chr., als häufig die Soldaten entschieden, wer Kaiser wurde, gelangten immer wieder Illyrer auf den Thron. Illyrischer Abstammung waren, unter anderen, die Kaiser Decius (249—251), Claudius II. Gothicus (268—270), Diokletian (284—305), der Reorganisator des Römischen Reiches, der sich am Ende seines Lebens in seinen Palast bei Salona (heute zu Split) zurückzog und Konstantin (306—337), der erste christliche Kaiser und Gründer Konstantinopels. So waren die Illyrer am Ende des Römischen Reiches zeitweise dessen wichtigste Stütze. — 378 schlugen die Goten bei Adrianopel (heute Edirne) das kaiserliche Heer. Von da an war die Donaugrenze nicht mehr sicher und Illyrien Kriegsgebiet, aus dem die Bevölkerung floh. Den Germanen folgten später die Slawen. Heute verstehen sich nur noch die Albaner mit ihrer selbstständigen Sprache als Nachkommen der Illyrer.Dr. Hansjörg FrommerAbriß der Geschichte antiker Randkulturen, herausgegeben von Wolf-Dietrich von Barloewen. München 1961.Albanien. Schätze aus dem Land der Skipetaren, herausgegeben von Arne Eggebrecht. Ausstellungskatalog Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim. Mainz 1988.Franke, Peter Robert: Albanien im Altertum. Mit zwei Beiträgen von Muzafer Korkuti und Helmut Freis. Feldmeilen 1983.Frommer, Hansjörg: Die Illyrer. Viertausend Jahre europäischer Geschichte, vom dritten Jahrtausend bis zum Beginn der Neuzeit. Karlsruhe 1988.Koch, Guntram: Albanien. 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Universal-Lexikon. 2012.